Kontinuierliche Usability-Tests im B2B – Insights von kloeckner.i
Zusammenfassung: Haik Dettmann von kloeckner.i berichtet, wie es ihnen gelungen ist, kontinuierliche Usability-Tests in einem B2B-Unternehmen zu etablieren, welche Herausforderungen sich ihnen dabei gestellt haben und worauf es bei nutzerzentrierter Produktentwicklung wirklich ankommt.
Klöckner & Co ist weltweit einer der größten produzentenunabhängigen Stahl- und Metalldistributoren und eines der führenden Stahl-Service-Center-Unternehmen. Unsere Kunden sind Geschäftskunden, die Materialien für ihre Produkte und Projekte bestellen. Im Tochterunternehmen kloeckner.i werden die Vertriebswege der operativen Einheiten des Konzerns digitalisiert. Hier sitzt auch unser sechsköpfiges Team aus UX-Professionals, welches mit den verschiedenen Produktteams zusammenarbeitet.
Mein Name ist Haik Dettmann. Ich betreue hauptsächlich die User Experience des Onlineshops, einer der digitalen Vertriebskanäle von Klöckner & Co. Testen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Im Vergleich zum B2C-Kontext gibt es im B2B-Bereich einige zusätzliche Herausforderungen. Ich möchte in diesem Beitrag Insights teilen, wie wir bei kloeckner.i im speziellen Usability Tests durchführen.
Inhaltsverzeichnis
Warum testet kloeckner.i?
Wir testen aus den klassischen Gründen, die hoffentlich jedem, der Produktentwicklung in 2021 betreibt, nicht neu sind. Hier nochmal zum Abgleich:
Nutzerorientierung
Wenn ein Unternehmen will, dass seine Nutzer konvertieren, muss man deren Einwände verstehen. Durch die Rückmeldung aus quantitativen und qualitativen Tests können wir die Bedürfnisse, Ziele und das Verhalten unserer Kunden analysieren, unsere Services daraufhin anpassen und fortlaufend verbessern. Kundenprobleme sind Businessprobleme.
Kostensenkung
An der Entwicklung von Softwareprodukten arbeiten mehrköpfige Teams aus verschiedenen Fachrichtungen. Einzelne Features werden wochenlang entwickelt. Das kostet Zeit, das kostet Geld. Um so wichtiger (und frustfreier) ist es, dass aus dem Entwicklungsprozess auch passgenaue Lösungen für unsere Kunden hervorgehen. Mithilfe der Tests können wir Schwachstellen schon in der Konzeptphase erkennen, noch bevor es in die Umsetzung geht.
Absicherung
Manchmal kann es besser sein, Produkte nicht evolutionär weiterzuentwickeln, sondern sie zu revolutionieren, also radikal zu erneuern. Dies macht beispielsweise bei einem Redesign oder einem Wechsel auf neue Technologien Sinn. Ob sich dieser Schritt wirklich lohnt und um sicherzugehen, dass sich das Erlebnis für den Kunden nicht verschlechtert, ziehen wir mittels Tests Vergleiche und evaluieren unseren Ansatz. Auch die Relevanz neuer Features kann man, beispielsweise mittels AB-Tests, im Vorfeld absichern.
Betriebsblindheit
Wir haben täglich mit unseren Produkten zu tun. Dadurch haben wir Insiderwissen darüber, warum Informationen und Inhalte so umgesetzt sind, wie sie es sind. Oftmals vergessen wir dabei aber, wie lange wir uns mit den Produkten im Vorfeld beschäftigt haben und wie viel Zeit wir hatten, uns an sie zu gewöhnen. Unsere Kunden nehmen sich dies Zeit nicht. Sie sind auch nicht an unseren internen Entscheidungsprozessen interessiert. Entweder die Informationen und Inhalte sind zielführend vorhanden, oder sie schauen kurzerhand bei der Konkurrenz vorbei.
Herausforderungen im B2B
Für eine valide Entscheidungsgrundlage müssen wir Feedback der richtigen Zielgruppe im richtigen Kontext einholen: Das heißt, wir müssen jene User befragen, deren Probleme, Bedürfnisse und Ziele wir mit unseren Produkten adressieren und lösen wollen.
Je größer die Kundengruppe ist, für die unsere Produkte in Frage kommt, desto einfacher ist das Testen. Naturgemäß liefern A/B-Tests schneller Ergebnisse, wenn die Webseite mehr Traffic hat. Auch Usability-Tests oder Interviews lassen sich leichter und kontinuierlicher organisieren.
Eine Herausforderung liegt darin, möglichst viele Probanden aus der passenden Zielgruppe zu akquirieren. Klöckners Kunden kaufen Metall aus beruflichen Gründen ein. Entsprechend verfügen sie für gewöhnlich über Fachwissen, das ihnen bei der Suche nach passenden Produkten hilft.
Sie kennen ihre Bedürfnisse, haben Erfahrungen als Kunden und kennen alternative Beschaffungswege. Um Motivation und Bedürfnisse dieser Zielgruppe zu verstehen, brauchen wir folglich Rückmeldungen von echten (potentiellen) Kunden. Bei beliebigen Testpersonen wäre das Feedback nicht authentisch und somit wertlos.
Eine weitere Herausforderung besteht in der Bereitschaft zur Teilnahme an Tests. Die B2B-Zielgruppe ist zeitlich eingespannt, da sie sich während ihrer Arbeitszeit mit unseren Produkten auseinandersetzt. Die Bereitschaft an Usability-Tests teilzunehmen ist demzufolge gering. Das verleitet die Produktentwicklung dazu, selten, aber intensiv zu testen und Tests und Interviews mit Fragen und Aufgaben zu überfrachten. Leider testet man auf diese Weise weniger iterativ und vernachlässigt so das gezielte Optimieren einzelner Konzepte oder Features.
Das iterative Testen ist jedoch ein sehr wichtiger Bestandteil der Produktentwicklung. Mit Usability-Tests nähern wir uns schrittweise einem intuitiven System. Mit A/B-Tests optimieren wir kontinuierlich die Conversionrate oder andere KPI.
Wie testet kloeckner.i die Usability?
Wir holen das Nutzerfeedback mit quantitativen (AB-Tests, Onsite-Surveys, Reports, etc.) und qualitativen Methoden (Usability-Tests, Interviews, Umfragen, etc.) ein. So erkennen wir einerseits, warum es ein Problem gibt und andererseits, wie viele User es betrifft.
Trotz der vorher beschriebenen Herausforderungen bei iterativen Tests haben wir einen Weg gefunden, wie wir in kleinen, schnellen Zyklen testen können: mithilfe von asynchronen Remote-Usability-Tests.
Asynchrone Remote-Usability-Tests
Anbieter wie RapidUsertests machen es möglich, schnell und mit geringem Aufwand Usability-Tests aufzusetzen und auszuwerten. Dadurch passen sie optimal in unsere Design-Sprints. Auch wenn das Tester-Panel von RapidUsertests unsere spitze Zielgruppe nicht vollständig abbildet, haben wir das Tool erfolgreich für uns nutzen können, denn
Usability-Probleme haben ihren Ursprung nicht immer im Mangel am Fachwissen.
Wir identifizieren in diesen Tests reine Usability Probleme, also Hindernisse der Benutzbarkeit des Shops, die nicht unbedingt auf mangelndem Fachwissen basieren. Vor dem Hintergrund dieser Annahme haben wir die Kriterien an unsere Zielgruppe etwas gelockert: Teilnehmer aus dem Panel sollen beruflich in Onlineshops einkaufen, die ausschließlich für Firmenkunden sind, oder als Freiberufler arbeiten. So vermeiden wir Probanden, die nur im privaten Umfeld online einkaufen.
In einem unserer Tests hatten die User die Aufgabe sich als Neukunde zu registrieren.
In der Auswertung konnten wir zahlreiche Probleme identifizieren und anhand ihrer Häufigkeit einordnen. Ein häufig auftretendes Problem war der Einstieg im Layer: Besucher können sich entweder als Online-Kunde anmelden, sich als Offline-Bestandskunde registrieren oder als Neukunde registrieren (siehe Abbildung 1). Dabei zeigte sich, dass die Tester den richtigen Pfad erst spät oder überhaupt nicht entdeckt haben.
Anhand der Erkenntnisse haben wir ein alternatives Konzept entwickelt und erneut getestet. Aufgaben und Kriterien an die Zielgruppe blieben unverändert. Diesmal hatten deutlich weniger Nutzer
Probleme beim Einstieg. In einer weiteren Iteration haben wir noch eine Alternative getestet, die Schwachstellen aus dem vorangegangenen Konzept verbessern sollte. Dieser dritte Konzeptstand befindet sich jetzt in der Umsetzung (siehe Abbildung 2). Zwischen dem ersten Test und dem dritten Test verging gerade einmal ein Monat.
Methoden kombinieren
Bereiche, bei denen wenig oder kaum Fachwissen nötig ist, eignen sich gut für RapidUsertests. Dennoch hinterfragen wir bei Tests mit fachfremden Probanden immer, ob die gefundenen Beobachtungen eventuell auf fehlende Expertise zurückzuführen sind. Dies geschieht, indem wir die Insights aus RapidUsertests mit Interviews und synchronen Usability-Tests mit tatsächlichen Kunden kombinieren, zusätzlich analysieren wir Nutzungsdaten und setzen A/B-Tests auf.
In einem anderen Test wollten wir beispielsweise die Usability der Variantenauswahl auf der Produkt Detailseite hinterfragen: User können hier das Produkt in unterschiedlichen Ausführungen (Länge, Breite, Höhe, Folierung, etc.) auswählen. In drei aufeinander folgenden RapidUsertests haben wir die Usability stetig optimiert, während wir parallel in Interviews und Tests mehr über die Motivation unserer Kunden gelernt haben. Durch das ergänzende Usability-Testen mit einer breiteren Zielgruppe können wir uns in den Interviews mehr auf die Motive, Ziele und Bedürfnisse unserer Kunden konzentrieren.
Fazit
Trotz des Potenzials kontinuierlicher Usability-Tests gilt: Usability ist nur ein Teilaspekt der Nutzererfahrung. Tests und Verbesserungen in diesem Bereich ersetzen nicht die Frage danach, ob der Content den Erwartungen der Kunden entspricht und sie motiviert sind, unsere Produkte zu nutzen oder zu kaufen. Diese Frage ist noch wichtiger und kann nur von eurer echten Zielgruppe beantwortet werden.